Synth.beat: robby litvai
Performance, Stimme, Kayagum: werner kodytek
Aufgespielt und aufgenommen am 22.2.2022 während des Karnevals in Venedig. Als Auftakt zur magischen Revolution.
„der am mund aufgeklappte mensch sagt: wir leben wenn die dinge grüssen. somit grüsse ich welt zwei.
es geht bergauf im leben, auf einem leichten wind“
an einen tief inspirierenden Menschen, Künstler und Freund DANIEL ASCHWANDEN (21.1.1959 – 8.7.2021)
Wenn jemand
Nach meinem Wohnsitz fragt,
Antworte ich:
„Am östlichen Rand
Der Milchstraße“
Gleich einer ziehenden Wolke,
Durch nichts gebunden
Ich lasse einfach los,
Gebe mich
In die Launen des Windes
Meine Musik betont das nach Innen hören. Ein hören in Richtung Ohrenlicht. Dabei ist es die freie Improvisation die es mir ermöglicht der Quelle des Inspirationsflusses näher zu kommen.
Was ist das was musiziert, genauso wie das Koan: wie klingt das Klatschen einer einzelnen Hand, sind Aufgabestellungen die eine essenzielle Verdichtung braucht um gelöst werden zu können.
Während meines Studiums der spirituellen Musik Japans bin ich erstmals dem Konzept der Keimsilben oder Samensilben begegnet. Spezielle Silben (bijas), jede mit eigenem Schriftzeichen (siddham), werden als Metapher verstanden für den Ursprung und Ursache im weitesten Sinne aller Dinge, auch aller Klänge.
Alles was künftig erklingen mag ist demnach als Samensilbe bereits angelegt. Dieses Konzept hat seinen Anfang genommen mit den alten, zunächst mündlich überlieferten indischen Veden (1500-800 v.Chr.) und wurde Teil der brahmanischen Wissenschaft von Zeichen und Klängen. Es wurde danach vom Buddhismus übernommen und während dessen Expansion von Indien nach Tibet, China, Korea und Japan getragen.
Zusammen mit den Samensilben wanderten auch Gesangs – und Rezitationsstile über diesen weiten asiatischen Raum. Mit jedem neuen Land veränderte sich ihr Klang,- bedingt durch die Verschiedenartigkeit der konditionierten Lautbildung der jeweils unterschiedlichen Sprachen. Es mag an die Ergebnisse unserer kindlichen „Stille Post“ Spiele erinnern, wenn man die Endfassung in Japan mit der anfänglichen Lautgestalt in Indien vergleicht.
Die Visualisierung der Samensilben-Zeichen/Kaligraphien, in der Kontemplation, hat eine lange Tradition und fördert ebenso die Anbindung an das große Potential. Der Silbe A kommt dabei besondere Bedeutung zu. Als erste Silbe des Alphabets symbolisiert sie den Gesamtklang aller Silben, so wie auch die Null allen anderen Zahlen zugrunde liegt. Ihr wahres Wesen wird jedoch als leer und ungeboren verstanden. Letztlich wird das gesamte Universum als Ausdruck für die volle Entfaltung aller Bedeutungen der Silbe A gesehen. Als grundlegende „Stimme“ aller Dinge enthält sie auch die ursprüngliche Lebenskraft, die alle Dinge durchdringt.
Für meine eigene Klangschöpfung ist die Anbindung an derartigen Betrachtungen sehr hilfreich. Die Frage „was ist das was musiziert“ wird damit theoretisch greifbarer. In der praktischen Umsetzung bedeutet es für mich, beim musizieren mich mit allem verbunden zu wissen und damit vom gesamten Universum wiedererkannt zu werden.
synth. drum: robbie litvai
n`goni und stimme: werner kodytek
Für ein leichteres Verstehen meiner Musik will ich den Begriff Ohrenlicht erläutern. Er ist erstmals in taoistischen Schriften des frühen Chinas aufgetaucht, entstanden aus der alten taoistischen Bemühung das ultimative Lebenselexier zu finden.
„Es gibt ein Augenlicht und ein Ohrenlicht. Das Augenlicht ist das vereinigte Licht der Sonne und des Mondes im Äußeren. Das Ohrenlicht ist der vereinigte Same der Sonne und des Mondes im Inneren. Der Same ist das Licht in kristallisierter Form. Beides hat denselben Ursprung und unterscheidet sich nur durch den Namen. Darum ist Verständnis (Ohr) und Klarheit (Auge) gemeinsam ein und dasselbe wirkende Licht.“
Für mich erschließt sich daraus, dass das Ohrenlicht durch das Hören nach Innen gefunden wird. Die einfachste Herangehensweise wäre es sich fest die Ohren zuzuhalten. Was wir dann hören ist ein Rauschen, das Ergebnis des ständigen Zusammenfließens der vier Elemente: Erde, Wasser, Feuer, Luft. Auch im Prozess unseres Sterbens ergießt sich Erde in Wasser, Wasser in Feuer, Feuer in Luft. In der Urform des buddhistischen Stupa, ursprünglich Grabmal später Symbol für erwachtes Leben, sind diese Elemente durch unterschiedliche Formen verkörpert und ergänzt durch ein fünftes Element nämlich Bewusstsein. Auf manchen der Stupas oder Pagoden sind zuoberst auch noch Sonne und Mondsichel beigefügt. (Bilder der von mir gebaute Stupas sind auf meiner homepage zu finden ). Das Element Luft wird oft in seinem dynamischen Aspekt als Element Wind bezeichnet. Ich verstehe darunter ein umfangreicheres Sinnbild, also mehr als ein Lüftchen. Nämlich Energie, Qi, Lebenswille und zuguterletzt den Flow. Den Kitt der Elemente und der Klänge.
„Schenke dem Himmel Luft und es wird Musik erklingen“.
Mein Projekt zum Thema „…du musst frei sein“ wurde vom artist in residence Paul Gulda ausgewählt und wird von Musik Aktuell 2020 gefördert.
In meinem Verständnis bedeutet Freiheit eigentlich „nichts zu suchen und nichts zu finden“.
Sie ist in uns ursprünglich angelegt als unsere aller innerlichste Natur. In unserem Geist spiegelt sich diese Freiheit, jedoch auch Unfreiheit.
Unfreiheit ist das Ergebnis unserer dualistischen Sichtweise. Der Unterscheidung in gut oder schlecht, der Trennung zwischen mir und anderem. Wer sich nun bemüht Unfreiheit gegen Freiheit zu tauschen kommt bald an seine Grenzen, weil ja gerade dieses Begehren Auslöser von Unfreiheit ist.
Dieses Thema beschäftigt mich seit Jahrzehnten und hat in Bezug auf mein Musikschaffen seine Vertiefung gefunden während eines einjährigen Studiums der spirituellen Musik Japans, Shomyo und Gagaku, in Kyoto (vor ca. 30 Jahren). Die Frage war: wie kann ich leben und wie musizieren mit geringstmöglicher Identifizierung mit einem illusionären, begrenzten Selbstbild, dem eigentlichen Grund für Unfreiheit.
Ich fand zu einigen Merkmalen: Loslassen von verfestigten, zulassen von befremdlichen, eine Geisteshaltung einnehmen die keine schnellen Bewertungen unternimmt, nicht in erster Linie publikumsorientiert sein, keine Spuren hinterlassen wollen, keine Anerkennung begehren. In der selbstvergessenen Vertiefung, dort wo es keinen Beobachter mehr gibt, erhellt sich die Freiheit von selbst.
Dieser Aufgabenstellung widme ich mich allein über die Improvisation.
…
Robbie Litvai: beat and synth
Werner Kodytek: n`Goni und Stimme
Drei Dörfer nach Pusztacsalád, in einem alten Wirtschaftsgebäude eines ehemaligen Nonnenklosters, lebt der Einsiedler und gottlose Sadhubaba Robbie Litvai, mit vielen Schafen und einem elektronischen Schlagzeug.
Bei unseren musikalischen Zusammenkünften schwingt stets ein Loblied mit auf den runden Geist, wahnfrei in der Ebene und selbstvergessen zwischen den Wolken.
Wir sagen musizierend: es ist schön, ein stilles Leben zu führen.
Und wir sagen das, eben weil es eigentlich nichts zu sagen gibt (J.Cage).
Und, weil Worte Lügen sind (J.Sasaki Roshi), bevorzuge ich es zu glossolalieren.
aus der überlieferung von gedichten und aussagen bekannter zen-meister des fernen ostens,
bald nach dem erwachen oder kurz vor dem sterben
kayagum, koreanische wölbbrettzither
rollpiano
(stupas von werner kodytek)
1 – muso kokuchi 1275 – 1351
japanischer zen-meister der rinzai-linie, gartengestalter und begründer der teezeremonie
nach dem erwachen
2 – hanam, jung won 1876 – 1951
koreanischer seon-meister
nach dem erwachen
3 – kusan 1908 – 1983
koreanischer seon-meister
kurz vor dem tod
4 – sosan, choi hyong ung 1520 – 1604
koreanischer seon-meister
kurz vor dem tod
5 – hyo bong 1888 – 1966
koreanischer seon-meister, lehrer von kusan
kurz vor dem tod