HERZSUTRA

Im ersten Gesangsteil dieses Videos singe ich ein Fragment des Herzsutra in Sanskrit. Eine buddhistische Lehrschrift die in allen Mahayanakulturen in der jeweiliger Sprache tagtäglich rezitiert wird. Sie ist fokusiert auf den menschlichen Geist und dessen grundlegene Fähigkeit zu erkennen, wie die Dinge tatsächlich sind, jenseits oberflächlicher Erscheinungen und Informationen.
Der ganze Name des Sutra lautet „Prajnaparamitahrdaya-Sutra“ – Sutra der höchsten transzendenten Weisheit. Prajna, die Weisheit oder Einsicht, bezieht sich aber nicht auf angesammeltes, passives Wissen. Vielmehr auf die aktive Wissensbegierde unseres Geistes, seine grundlegende Neugierde, herauszufinden was wirklich wahr ist. Dies bedeutet auch das Potential eines jeden Lebewesen zu seiner vollständigen Reife entwickeln zu lassen.
Die Übersetzung des Textes:
Form ist Leerheit
Leerheit ist Form
Form ist nichts anderes als Leerheit
Leerheit ist nichts anderes als Form
Ebenso sind auch Gefühl, Wahrnehmung, Wirkkräfte und Bewusstsein leer.
Wie soll das verstanden werden? vor allem der Begriff Leerheit (Shunyata). Im Sanskrit Alphabet heißt die Null „shunya“ und bedeutet leer. Dabei denken wir Westler schnell an „Nichts“. Im östlichen Kulturraum bedeutet der Kreis von shunya allerdings auch Ganzheit. Es ist also nicht „Nichts“ aber auch nicht „Etwas“. Die „Philosophie der Null“ ist eine Aufforderung außerhalb unserer festgefahrenen Bahnen, schwarz-weiss dualistisch, zu denken.
Von Leerheit kann gesprochen werden weil es überhaupt kein einziges Phänomen gibt, das unabhängig und eigenständig existiert. Alles steht miteinander in Wechselbeziehung und verändert sich dauernd, in jedem Augenblick. Die Quantenphysik brachte ebensolche Einsicht hervor. Je intensiver sie hinschauten desto kleiner und unfassbarer wurden die Elementarteilchen, bis sie nicht einmal mehr als Teilchen bezeichnet werden konnten. Die Physiker verwenden daher bloß Namen und Beschreibungen für einen fortwährenden Prozess. Die Dinge sind also leer insofern ihnen jegliche zugrundeliegende Substanzialität oder ein Selbstsein fehlt.
Der Text „Form ist Leere“ bezieht sich auf die Leerheit der Erscheinungswelt, was dem Irrtum des Glaubens an eine absolute reale Existenz entgegen wirkt. „Leerheit ist Form“ weist darauf hin, dass es nichts anderes als Leerheit ist, die als abhängiges Geschehen erscheint. Dies beendet den Irrtum des Glaubens, dass überhaupt nichts existiert.
Bei der Textstelle „Form ist Leerheit“ geht es auch um die Einheit der zwei Wirklichkeiten, wobei „Form“ die scheinbare, relative Wirklichkeit und „Leerheit“ die letztendliche Wirklichkeit repräsentiert. Form ist dabei aber nur eine der 5 Daseinsfaktoren die unsere Gesamtheit ausmachen. Zur Form, was eigentlich Körper meint, addieren sich noch Gefühl, Wahrnehmung, Wirkkräfte und Bewusstsein. Sie alle sind leer.

Verstanden? …wie sollte es auch? Ein Paradoxon bleibt so lange paradox so lange wir uns an Worten festhalten. Für ein tiefes Verständnis der Wirklichkeit genügt die Ratio nicht und ist ihr eher im Wege. Dafür sind Sehen, Hören noch besser geeignet. Es heißt in anderen Weltsystemen wird diese Lehre mit Gerüchen vermittelt.

Vielleicht ist eine krass vereinfachende Auslegung eindringlicher: Vergiss es, lass los und geh weiter.
Der zweite Gesangsteil des Video ist Ausdruck dieser Haltung. Wie faßt immer vermeide ich in meinem Gesang Sinn-stiftende Worte um damit der Jetztheit näher zu sein.
Aufgenommen am 12.9. im Wiener Museumsquartier.