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DAS REINE LAND DER FLIEGENDEN MUSIKER AUS DEN HÖHLEN DER KLINGENDEN SANDE (2014)


 

unsere performance thematisiert den himmel, zwischen dem zerschlagen seiner gebeine, zum reinen land des unbegrenzten lichtes, bis zu den fliegenden musikern vom rande der wüste gobi.
der himmel, verstanden als spiritueller bereich, ist für viele von uns zeitgenossen ein vager und eher suspekter begriff. so stellt sich die frage nach dem wieso und nach dem standort des himmels.
mit der entdeckung der chinesischen höhlenmalereien von den fliegenden musikern in den höhlen der klingenden sande fand man auch texte aus den ersten jahrhunderten unserer zeitrechnung. diese texte weisen darauf hin daß der himmel nicht weit von uns entfernt ist und daß es einen direkten weg dorthin gibt und sie deuten dabei unmißverständlich auf unseren eigenen geist, unser menschliches bewußtsein. in unserem ursprünglichen freien und reinen geist, den wir alle noch haben aber auf grund falscher ansichten nicht wahrhaben können, soll der grund des himmels liegen. himmlische musik ist demnach der klang der auflösung aller selbsttäuschung. in ikonischer geste laden wir ein, gemeinsam den himmel solange herunter zu zerren bis wir den grund unserer existenz sehen.

in unserem ersten stück ist das satori-gedicht des zen meisters muso soseki (1275-1351 u.Z.) zu hören. mein kayagum wird begleitet von uli faltin auf dem akkordeon.
„jahrelang grub ich in der erde suchte nach blauem himmel wurde aber nur schwerer alles stand still und hinderte sich selbst doch dann ergriff ich eines nachts steine und ziegel und zerschlug mit nachlässiger hand die gebeine des himmels“
hier sind weltenschmerz und himmelsfreuden gleichermaßen überwunden, zerschlagen alle täuschung. diesen habitus der nachlässiger hand führe ich fort als musiziertechnik bei allen stücken auf den wölbbrettzithern. inspiriert von den fließenden formen des vom wind bewegten sandes, so wie es auch den malern erging beim malen der körper und gewänder.

eines nachts wurde es für muso soseki also glasklar. und diese glasklar-klangqualität führt das zweite stück fort. eine glasorgelkomposition von achim willfahrt und dazu einen shomyogesang aus einer tausendvierhundert jahre alten ostasiatischen spirituellen gesangstradition (siehe meinen artikel „shomyo“ in wikipedia oder www.kodytek.at/texte/gesänge), eine anrufung des reinen landes. verschieden gestaltete linien im raum fügen sich mosaikhaft aneinander . ein weitgehend unpersönlicher gesang, in dem sich das ungeborene ausdrücken soll. kein ego-drama mehr, nichts als ein gebiß, das in der luft hängt und sich bewegt. der zuhörer findet seine eigentliche schönheit nur in jenem bereich der einer unterscheidung in schön oder weniger schön vorausgeht. zu sehen ist dabei die auf tafeln gemalte notation der japanischen tendai schule.
zu beginn des 3. stückes dreht sich ein himmlischer lautenspieler im kreis. dhrtarastra ist nach einem chinesischen mythos der hüter der östlichen himmelsrichtung und gleichzeitig der konzertmeister der himmlischen musiker. er hat die eigenheit, daß alle töne die an sein ohr dringen, beim verursacher dieser töne leiden auslösen. da er jedoch kein leiden verursachen will spielt er selbst die laute um die anderen zu übertönen. oder, wie man ihn manchmal auch darstellt, zieht er sich einen helm aus elefantenhaut bis weit über beide ohren. (siehe www.kodytek.at musik/video/dunhuang/ ..mit weit über die ohren gezogem helm).
bald danach fliegen die himmlischen musiker auf die projektionsfläche, „devis“ wie sie auch genannt werden, jene die sich vom duft ernähren. dargestellt auf wandmalereien in den höhlen von dunhuang, einer oase am rande der wüste gobi, an der seidenstraße. gemalt zwischen dem 5. und 14. jhdt.
die höhlen der klingenden sande, sowie ihre umgebung, führen ihren namen zurück auf das merkwürdige geschehen, das entsteht, wenn ganz trockene, ganz runde sandkörner von einer hohen düne herabrollen. forschungen haben gezeigt daß die sandkörner nach einiger zeit des freien rollens sich zu einem gemeinsamen tempo synchronisieren, vermutlich auf grund eines resonanzeffektes. dabei kann es zu einem dröhnen von bis zu 100 decibel kommen.
die vom wüstensand bis zu ihrer entdeckung im jahre 1903 gut konservierten schriftrollen zitieren das große weisheits-sutra: „form ist leerheit, leerheit ist form, form ist nicht verschieden von leerheit, leerheit nicht verschieden von form“. zu den projizierten schriftzeichen aus der tang-dynastie singe ich einen abschnitt dieses (herz-) sutras in seiner ursprungssprache sanskrit, dazu das spiel auf dem kayagum, einer koreanischen wölbbrettzither und der khene, einer laotischen mundorgel. dazu tanzt bea von schrader.
vor den anfang des vierten stückes wird ein zitat von wu kei, einem chinesischen kunstkritiker aus dem 12. jhdt. gestellt (gescrollt):
„beim dichten wie beim musizieren, gibt es nur eine schwierigkeit: flaches und fades hervorzubringen. denn man weiß, daß die flachheit „sich bis in die tiefe erstreckt“, daß die fadheit die „fülle“ enthält.
danach erscheinen die ältesten der malereien, der film führt auch in meinen skulpturengarten und zeigt die von mir gestalteten stupas, stengel vom lotus des raums. als garuda (mythischer götterbote)) maskiert, verquirle ich die auf den gebetsventilator gemalten samen(klang-)silben in den himmel. verstanden als eine anrufung des mutterschoßes des unbegrenzten raumes. drei schläge auf der in korea stehenden größten trommel der welt beenden diese komposition. zu hören war die zugespielte mundorgel „sho“ von achim willfahrt, dazu von mir die hichiriki und ryuteki, oboe und flöte des gagaku orchesters, der spirituellen klassischen musik japans.
das fünfte stück beinhaltet eine anrufung der personifikation des mitgefühls. eine musikalische praxis ostasiatischer spiritualität, die schon zur zeit der höhlenmalerei sehr beliebt war. diese angerufene qualität wird als unser inneres potential und als eine brücke zum himmel gesehen. gemalt wurde sie als tausend hände mit augen. dazu mein spiel auf dem ajäng, einer anderen koreanischen wölbbrettzither, und ein weiteres instrument vom selben typus wie sie auch in den malereien von den fliegenden musikern gespielt wurden: zithern, mundorgeln, oboe und flöte etc.
über die musik der damaligen zeit erzählt man sich folgenden brauch: einmal im jahr versammelte sich der weisenrat vor einer quelle. während einer von einem astrologen exakt festgelegten zeitspanne, lauschte man mit großer aufmerksamkeit den geräuschen der wassertropfen. die melodie die sie dabei hörten wurde darauf für ein jahr die melodie des landes.
mit dem 6. und letzten stück zeigen wir auf unseren alltagsgeist, den hüter des himmels. himmel und erde, oben und unten und alle anderen gegensatzpaare haben einen gemeinsamen ursprung, nämlich unseren eigenen geist. darum sind sie unbeständig und leer von einem selbstständigen sein. ist der geist erkannt, sind alle dinge erkannt. ist der geist befreit, sind alle dinge befreit.
bea von schrader spielt auf dem elektronischen instrument theremin zu den geräuschen einer großbaustelle. ich tanze vor der trommel.
ein mitschnitt der performance „das reine land der fliegenden musiker aus den höhlen der klingenden sande“ aufgeführt am 31.5.2014 im urhof20, in grünbach am schneeberg.
konzept, film, musik: werner kodytek tanz: bea von schrader videoschnitt, kamera: michael guzei kamera: daphne schrader