SHUNYATA 1

shunyata 1 ist vor ca. 20 Jahren entstanden. Noch stark unter dem Einfluss meines Studiums von Shomyo und Gagaku (buddhistischer Ritualgesang und japanische Hofmusik) in Kyoto.
Es zeigt auch meine spirituelle Praxis gegen meine damals lebensbedrohende Krankheit anzubeten. Auf den Flügeln eines Gebetsventilators sind die mantrischen Silben des unbegrenzt weiten, alles einbeziehenden Raumes aufgemalt. Gummiringerln auf den Flügeln montiert verquirln dabei die Obertöne mit den Keimsilben und tragen sie in den Raum.
Achim Daishin Willfahrt: Sho (jap. Mundorgel)
Werner Kodytek: Shomyo Gesang, Hishiriki Gagaku Oboe, Ryuteki Gagaku Flöte, Stupas – Stengel vom Lotus des Raumes.

NACHKLANG 5/23

LS104821

rpt

Dieses Musikstück entstand aus dem Nachklang eines tiefen Kapitels meines bisherigen Lebens.

Die beiden Fotos zeigen mich, als buddhistischer Mönch in Ostasien, im Alter von 29 Jahren. Das andere wurde vor ca. 3 Jahren aufgenommen, im Alter von 70 Jahren. Während dieser Zeit, um die 40 Jahre lang, plagte mich eine schwere Hepatitis C Erkrankung die schließlich überging in den Beginn einer Leberzirrhose. Geist und Körper waren jahrzehntelang die eines alten enorm gestressten Mannes. Ärzte rieten mir Psychopharmaka zu nehmen um die Zeit durchzustehen bis mit Glück die neue vielversprechende Medizin entwickelt und zu bekommen ist. Zuguterletzt ist es sich gerade noch ausgegangen und Psychopharmaka habe ich keine nehmen müssen. Statt Chemie half mir nämlich Liturgie.

Liturgie in einem weiten, nicht christlichen Sinn. Während meiner mehrjährigen Aufenthalte in Ostasien konnte ich eintauchen in eine Fülle an überlieferten Gesängen, Vokalisierungen geistiger Inhalte. Zunehmend schälte sich aus den jeweils kulturspezifischen Umhang die eigentliche Natur, das Wesen dieser Gesänge. Worin sie sich alle gleichen ist ihre Herkunft, nämlich jene Sphäre die der Unterscheidung zwischen schön und nicht-schön vorausgeht. Sie sind Ausdruck des Unpersönlichen, einer Nichtirgendetwasheit. Und obwohl nicht publikumsorientiert vermag sie trotzdem Großmut in die Herzen der Menschen zu pflanzen.

Diese Klangkunst resultiert aus einer geistigen Haltung die sich bewusst darüber ist, dass Musizieren auch eine Fessel sein kann. Jedenfalls bei jenen denen Selbstsucht und Geltungsdrang eher peinlich ist und überwunden werden will. In unserem Potential ist der freie Geist bereits angelegt, jedoch braucht es dafür die Praxis.

In Kyoto, wo ich mit Hilfe eines japanischen Stipendiums SHOMYO – buddhistischer Ritualgesang (und Gagaku) studieren konnte, öffneten sich weitere Räume der Inspiration. Die Gesangstexte liegen dort meist im verständnisfreiem Bereich. Lange Texte waren weitgehendst verdichtet und auf ein paar wenige Keimsilben kristallisiert. Dem reinen Hören gilt die ganze Aufmerksamkeit und nicht dem Denken. Der Praxiswert liegt im Einüben des sich Verlierens, des Aufgehens in der Gesamtheit, „kein Ego nur ein aufgehängtes Gebiss dass in der Luft hängt und sich bewegt“ (Roshi). Doch die Gesänge sind trotzdem ausgerichtet und oft werden sie auch als Anrufungen verstanden. Angerufen werden dabei unsere inneren geistigen Qualitäten, aus dem Vertrauen heraus dass das Angerufene in Resonanz gebracht werden und sich dadurch manifestiert kann. Gleichzeitig oder nebeneinander kann dies auch umgekehrt verstanden werden. Wir selbst sind, während des Singens, die Angerufenen, von unserer hellsten Instanz zum Schwingen gebracht.

Damit erzähle ich über meine prägendsten musikalischen Einflüsse, und ebenso über den Schutz den mir diese geistige Haltung gegeben hat. Die Hingabe in die Bewegung des einzelnen Klanges und das zeitweilige abfallen lassen des unheilsamen konditionierten Denkens und Fühlens waren meine Rettung.

Jetzt, einige Jahre nach meiner Heilung, ist die Dankbarkeit darüber noch am Leben zu sein, wieder etwas zum nachspüren.

Synth.Sound von Robby Litvai

GOMERA

an alle großen grünen kanarienvögel – freundschaft
musik: michael guzei

Warum heißt Gomera Gomera? „Das war so: Vor langer Zeit hieß die Insel nur G. Eines Tages aber kam ein Fischer mit seinem Boot uebers Meer und war von der Schönheit der Insel so beeindruckt, dass er laut “ O“ rufen musste. Das G und das O fanden einander sympathisch und kamen zusammen. Sie schauten hinunter zum Meer, „Meeeer“ sagte das O, „Aaah“ sagte das G. Gomera, fasste ein Kanarienvogel zusammen, der gerade vorbeigeflogen kam.“

NIEDERSCHRIFT VON DER SMARAGDENEN FELSWAND

wenn alles auf das Eine zurückführt,
worauf führt dann das Eine zurück.

Das gemalte Zeichen ist ein Unendlichkeitsknoten und damit ein Synonym für die Leerheit. Zusammen mit dem Skelett eines Rindes weisen sie auf die Daseinsmerkmale unserer Existenz: Vergänglichkeit, Leerheit und Leidhaftigkeit.

Mein Instrumentarium sind: Rollpiano, Kayagum und Hichiriki.
Meine Malwerkzeuge sind neben Pinsel Rosmarienzweige, ein altes Symbol für die Liebe aber auch für den Tod.

Ich widme diese Performance dem höchsten Geistlichen der russisch kalmueckischen Buddhisten, Lama Telo Tulku Rinpoche, der für seine Haltung gegenüber den russischen Angriffskrieges auf die Liste der ausländischen Agenten gesetzt wurde.

KODYFUNGHI

Baumschwammschwurbelei

Performance: Werner Kodytek
Musik, visuals und Schnitt: Michael Guzei,
mit Bildelementen von Susnne Guzeis textilen Arbeiten
und Stonemandals,
created with midjourney
c 2023

BUBBLES OVER THE K-POP STAGE

musik von michael guzei
aufgenommen in Seoul im November 2022

Bubbles over the stage. Quellend, wogend, schäumendes Multiuniversum.
Wenn es eine verbindende Metapher unserer Zeit gibt, dann ist es die der Blase.
Die Leichtplatzbare, die Filterblase, die facebookblase, die bla bla.
Schillernd, abgetrennt und verletzlich.
Vom Wesen her kernlos und leer.
Jedenfalls ist das sicherste an den Blasen dass sie platzen. Und das hat auch was schoenes.
Wie wir alle wissen: Erleuchtend kann die Enttäuschung sein und so licht eine neue Sicht.
Lasst uns darum tanzen, über die Blasen hinaus, bis unsere Bühne weit und tief geworden ist.

HAUS NR.10

Pusztacsalad , Shunya Sangha Vihara, Haus Nr.10
Über meiner Türe zum Musikzimmer hängen zwei Objekte. Zum einen eine Votivtafel aus Japan. Auf
Holz gemalt zeigt es einen fliegenden feinstofflichen Trommler auf einer Wolke. Stilgleich mit den
vielen Darstellungen fliegender Musiker, den Gandharvas und Devis in Ostasien. Besonders zahlreich
in den Wandmalereien der 492 Höhlen von Dunhuang, am Rande der Wüste Gobi mit seinem
singenden Sande. Es sind ätherische Wesen die sich von Düften ernähren und ätherische
Musikinstrumente spielen. Zu finden nur an Orten wo die grobe Materie abtaucht und damit Raum
für feinstoffliche Schwingung ermöglicht, in Höhlen, Shreinen, Tempel und Musikzimmer.
In Japan können solche Votivgaben an sakralen Stätten erworben werden und dort selbst, entweder
als Wunsch, z.B.: „Mögen alle Wesen ihre ureigene Schwingung kultivieren“, oder zum Dank,
dargeboten werden.
Mein Trommelschläger über der Türe eröffnet mir also mit einem Schlag den Zutritt, wobei die Stille
nach dem Trommelschlag das Ohrenlicht entfachen kann. Einmal eingetreten in den Klangraum
fließen die Töne in Wellen und Schleifen, aufsteigend, absinkend, zeichnen Schnörkel und Figuren in
die Luft, eilend oder verhalten. Und sie werfen den Faden der Melodie in Schlingen um den
Hörenden.
All das wird als gelungen empfunden wenn im Spiel die Hemmung des Zweifels, der Zerstreutheit,
der Ungeduld und der Erwartungen, umarmt und losgelassen werden kann. Dogen sagt dazu: Lass
das Ohr los und das ganze Universum ist nichts als Ohr. Es benötigt Körper und Geist, das gesamte
Sein konzentriert auf eine Praxis, dann kann man eine nichtduale Realität erleben.
Zurück zur Eingangstüre des Musikzimmers. Das zweite Objekt darüber ist ein Bild mit goldenen
Rahmen, wahrscheinlich aus China, erstanden am Flohmarkt in Wien. Das Bild eines Turms, einem
Stupa, unterteilt in 10 Ebenen. Einen Stupa kann man auch als einen Stengel vom Lotus des Raumes
verstehen. Eine Architektur die der Idee, der Praxis und der Frucht der Buddhalehre eine Form gibt.
In den unterschiedlichen Ländern Asiens haben sich vielfältige kulturspezifische Stupaformen
entwickelt, in China oft in Form eines Turmes.
In meinem Bild unterteilt sich der Turm in 10 Etagen und ist damit eine Versinnbildlichung eines
literarischen Werkes, geschrieben in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, beginnend in
Indien, fortgeführt in China. Das 10 Etagen Sutra, ein Abschnitt des umfangreichen Avatamsakasutra,
der Dachphilosophie der diversen Entwicklungen des großen Fahrzeuges, damit auch des ZEN.
Die 10 Etagen oder Aufenthaltsebenen (Vihara), Entwicklungsbereiche, auch Bhumis genannt, sind
die Praxisfelder des Bodhisattvaweges. Also für jene deren geistiges Auge nicht mehr ganz von Staub
bedeckt ist und die ihre eingebildete Trennung vom Ganzen allmählich überwinden.
Das erste Bhūmi, “Sehr freudig” genannt, wird mit der ersten direkten Wahrnehmung der Leere
(Sunyata) erreicht und es wird “sehr freudig” genannt, weil der Bodhisattva an der Vollkommenheit
der Großzügigkeit arbeitet und die Fähigkeit entwickelt, alles ohne Bedauern und ohne Gedanken an
Lob oder Belohnung zu verschenken. Alle Phänomene werden als leer und als dem Verfall, Leiden
und Tod unterworfen angesehen, und so verlieren Bodhisattvas die Bindung an sie.
Die gesamten 10 Bhumis werden ausgiebig im großen Avatamsakasutra beschrieben, jenem Text der
sicherlich der weitreichendste aller Mahayanasutren ist, deren Sprache und Bilder aber ohne
kundigen Kommentar schwer verständlich bleibt.
Eine dem Sutra zugrundeliegende Metapher jedoch ist unserer heutigen Bevölkerung vielleicht
verständlicher als es vor 2000 Jahren im Ursprungsland war. Das Bild von einem Netz das sich
unendlich in alle Richtungen ausdehnt.
In jedem ‚Auge‘ des Netzes befindet sich ein einzelnes brillantes, perfektes Juwel. Jedes Juwel
spiegelt auch jedes andere Juwel wider, unendlich zahlreich, und jedes der reflektierten Bilder der
Juwelen trägt das Bild aller anderen Juwelen – von Unendlichkeit bis Unendlichkeit. Was auch immer
ein Juwel beeinflusst, wirkt sich auf alle aus. Die Metapher illustriert die gegenseitige Durchdringung
aller Phänomene. Alles enthält alles andere.
So gesehen über der Tür zu meinem Musikzimmer, unter mir auf dem Linoleum des Fußbodens, in
mir als Freude meine Geschichte zu erzählen.