Pusztacsalad , Shunya Sangha Vihara, Haus Nr.10
Über meiner Türe zum Musikzimmer hängen zwei Objekte. Zum einen eine Votivtafel aus Japan. Auf
Holz gemalt zeigt es einen fliegenden feinstofflichen Trommler auf einer Wolke. Stilgleich mit den
vielen Darstellungen fliegender Musiker, den Gandharvas und Devis in Ostasien. Besonders zahlreich
in den Wandmalereien der 492 Höhlen von Dunhuang, am Rande der Wüste Gobi mit seinem
singenden Sande. Es sind ätherische Wesen die sich von Düften ernähren und ätherische
Musikinstrumente spielen. Zu finden nur an Orten wo die grobe Materie abtaucht und damit Raum
für feinstoffliche Schwingung ermöglicht, in Höhlen, Shreinen, Tempel und Musikzimmer.
In Japan können solche Votivgaben an sakralen Stätten erworben werden und dort selbst, entweder
als Wunsch, z.B.: „Mögen alle Wesen ihre ureigene Schwingung kultivieren“, oder zum Dank,
dargeboten werden.
Mein Trommelschläger über der Türe eröffnet mir also mit einem Schlag den Zutritt, wobei die Stille
nach dem Trommelschlag das Ohrenlicht entfachen kann. Einmal eingetreten in den Klangraum
fließen die Töne in Wellen und Schleifen, aufsteigend, absinkend, zeichnen Schnörkel und Figuren in
die Luft, eilend oder verhalten. Und sie werfen den Faden der Melodie in Schlingen um den
Hörenden.
All das wird als gelungen empfunden wenn im Spiel die Hemmung des Zweifels, der Zerstreutheit,
der Ungeduld und der Erwartungen, umarmt und losgelassen werden kann. Dogen sagt dazu: Lass
das Ohr los und das ganze Universum ist nichts als Ohr. Es benötigt Körper und Geist, das gesamte
Sein konzentriert auf eine Praxis, dann kann man eine nichtduale Realität erleben.
Zurück zur Eingangstüre des Musikzimmers. Das zweite Objekt darüber ist ein Bild mit goldenen
Rahmen, wahrscheinlich aus China, erstanden am Flohmarkt in Wien. Das Bild eines Turms, einem
Stupa, unterteilt in 10 Ebenen. Einen Stupa kann man auch als einen Stengel vom Lotus des Raumes
verstehen. Eine Architektur die der Idee, der Praxis und der Frucht der Buddhalehre eine Form gibt.
In den unterschiedlichen Ländern Asiens haben sich vielfältige kulturspezifische Stupaformen
entwickelt, in China oft in Form eines Turmes.
In meinem Bild unterteilt sich der Turm in 10 Etagen und ist damit eine Versinnbildlichung eines
literarischen Werkes, geschrieben in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, beginnend in
Indien, fortgeführt in China. Das 10 Etagen Sutra, ein Abschnitt des umfangreichen Avatamsakasutra,
der Dachphilosophie der diversen Entwicklungen des großen Fahrzeuges, damit auch des ZEN.
Die 10 Etagen oder Aufenthaltsebenen (Vihara), Entwicklungsbereiche, auch Bhumis genannt, sind
die Praxisfelder des Bodhisattvaweges. Also für jene deren geistiges Auge nicht mehr ganz von Staub
bedeckt ist und die ihre eingebildete Trennung vom Ganzen allmählich überwinden.
Das erste Bhūmi, “Sehr freudig” genannt, wird mit der ersten direkten Wahrnehmung der Leere
(Sunyata) erreicht und es wird “sehr freudig” genannt, weil der Bodhisattva an der Vollkommenheit
der Großzügigkeit arbeitet und die Fähigkeit entwickelt, alles ohne Bedauern und ohne Gedanken an
Lob oder Belohnung zu verschenken. Alle Phänomene werden als leer und als dem Verfall, Leiden
und Tod unterworfen angesehen, und so verlieren Bodhisattvas die Bindung an sie.
Die gesamten 10 Bhumis werden ausgiebig im großen Avatamsakasutra beschrieben, jenem Text der
sicherlich der weitreichendste aller Mahayanasutren ist, deren Sprache und Bilder aber ohne
kundigen Kommentar schwer verständlich bleibt.
Eine dem Sutra zugrundeliegende Metapher jedoch ist unserer heutigen Bevölkerung vielleicht
verständlicher als es vor 2000 Jahren im Ursprungsland war. Das Bild von einem Netz das sich
unendlich in alle Richtungen ausdehnt.
In jedem ‚Auge‘ des Netzes befindet sich ein einzelnes brillantes, perfektes Juwel. Jedes Juwel
spiegelt auch jedes andere Juwel wider, unendlich zahlreich, und jedes der reflektierten Bilder der
Juwelen trägt das Bild aller anderen Juwelen – von Unendlichkeit bis Unendlichkeit. Was auch immer
ein Juwel beeinflusst, wirkt sich auf alle aus. Die Metapher illustriert die gegenseitige Durchdringung
aller Phänomene. Alles enthält alles andere.
So gesehen über der Tür zu meinem Musikzimmer, unter mir auf dem Linoleum des Fußbodens, in
mir als Freude meine Geschichte zu erzählen.
Archiv des Autors: kodytek
DIE VIER UNERMESSLICHEN (11/22)
Über die vier unermesslichen Verweilzustände:
Liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut.
Musik von Michael Guzei
DALARNA
Ein wunderbarer Sommer in Dalarna, Schweden. Auch wenn ich viel zu tun hatte – habe meinen Roman als Hörbuch eingesprochen und die CD mit Werner Kodytek geschnitten – war es eine wunderbare Zeit, die mir mit den Hunden und der Stille geschenkt wurde. Zu hören ist ein ganz neues Stück von Werner und mir: Leenda. Viel Freude mit den fröhlichen, berührenden Bildern!
When Men See Me · Werner Kodytek & Georg Weidinger
FIRST CONTACT
℗ 2022 Klaviermusik.at
Released on: 2022-09-23
Auto-generated by YouTube.
KALEIDOSKOP (9/22)
hören mit den ohren
lieder für´s leben
lieder für´s sterben
sehen mit den augen
eine bedingte entstehungskette
weil leerheit keinen anfang und kein ende hat
können wir an sie glauben.
Kayagum – koreanische Wölbbrettzither
Rollpiano, Stimme
AMIDABUL (9/22)
Aus Sicherheitsgründen sollte ein Mantra mindestens sechs Schriftzeichen lang sein und es sollte Sonderzeichen enthalten.
Sound: Hermann Schindler
Performance: Werner Kodytek
GAGAKU IN PUSZTACSALAD (8/22)
Die geschmeidige Stimme stieg und fiel, eilte und verhielt, wand sich in Wellen und Schleifen, zeichnete Schnörkel und Figuren in die Luft und warf den Faden der Melodie in Schlingen um die Seelen der Lauschenden. … Bald waren die Zuhörer ein Teil der Musik, wurden selbst zu Noten, und von dem Sänger eingewoben in das unsichtbare Gewebe, das er aus der Stille beschworen hatte, und ihre verzauberte Phantasie schenkte ihnen mannigfache Gesichte. Sie fühlten sich davongetragen auf einem Meer von Nebel, sahen wundersame Gestalten und Gebilde auftauchen, vorübergleiten und sich wieder auflösen, fühlten sich mitgezogen und gelockt von dem Faden der Töne, begierig den Weg zu gehen, den er sie führte. Und auf diesem Weg erfuhren sie alles, was einem Menschen, der sich selbst sucht, je widerfahren kann: Schmerz, jung wie die Berge, und Freude unermeßlich und ewig, staunendes Fragen und überwältigendes Erkennen und demütiges Anerkennen, und eine Ahnung von dem, was jenseits alles Begreifens und Erlebens liegt, auch für den, der sich ihm in blindem Gehorsam nähert. Denn Shiva tanzte in diesem Lied, und unter seinen Füßen wurde das Universum geboren, hervorgebracht aus dem Nichts in einem gewaltigen unweltlichem Schöpfungsakt, von dem die Musik nur ein ohnmächtiges Echo war. Irgendwo in der Leere donnerte ein Hammer, und unter seinen Schlägen sprühten Funken, die zu Sonnen zerbarsten und in glitzernde Sterne zersplitterten, und die neugeschaffenen Welten wirkten durch das neugegründete All, sich in ewigem Kreißen vermehrend und erneuernd, und nichts konnte ihre kosmische Wiedergeburt aufhalten, so wie keine Kraft, das Kräuseln der Blätter einer sich öffnenden Blume, den zartesten Vorgang der Natur, aufhalten kann. Han Suyin
ZWEI STENGEL VOM LOTUS DES RAUMES 7/22
Älter werden ist oft verbunden mit Erinnerungen an Vergangenes. Das ist an sich nichts verwerfliches, wenn man es gelassen nimmt. Erinnerungen können die eigene positive Energie anregen, so wie es auch „Anrufungen“ tun.
Anrufungen werden im ostasiatischen buddhistischen Kulturraum als geschicktes Mittel verstanden auf dem Weg den Herzgeist zu kultivieren. Angerufen werden spirituelle Qualitäten die durch Zuruf geweckt werden und sich im Rufenden verwirklichen. Aus einer anderen Perspektive wird der Rufende von der Qualität selbst angerufen, hört es und gibt es nur wieder. Doch beide Sichten sind kein Gegensatz, nur das Denken trennt es, das Tun verbindet es.
Die Bewegung verläuft vom Subjekt zum Objekt, von Selbstzentriertheit zur Selbstvergessenheit, dorthin wo man vom gesamten Universum wiedererkannt wird.
Mein japanischer Lehrer wünschte sich von mir „nur ein leeres Gebiss dass in der Luft hängt und sich bewegt
SAMENSILBE A IN DER VOLLMONDSCHEIBE (6/22)
Performance: Werner Kodytek
Musik: Werner Kodytek – Rollpiano
Michael Guzei: Synth.
Hätte gerne meinen Kopf nach oben hin geöffnet. Doch mein Haus hat immer noch ein Dach.
CICASATTVA (5.22)
Ohne den Weg des Übels zu verlassen, den Weg der Befreiung betreten. Und unter Beibehaltung falscher Ideen in die wahre Lehre eintreten. Derjenige geht zwar nicht in die tiefe Meditation ein, verläßt sie aber auch nicht.
DEN WIND FÄCHELN (5/22)
Wenn wir der Wirklichkeit der Zehntausend Dinge nachlauschen, müssen wir wissen, dass da unerschöpfliche Merkmale im Ozean und den Bergen liegen, und dass es viele verschiedene Welten in den vier Himmelsrichtungen gibt. Dies gilt nicht nur für die äußere Welt, sondern ebenso ist es wahr gerade hier unter unseren Füssen und in jedem einzelnen Tropfen Wasser.
Eihei Dogen Zenji
aus dem zähen festhalten an der vision einer erleuchteten gesellschaft (3/22)
Musik: Michael Guzei
Performance: Werner Kodytek
HINTER DEM LID STEHT DAS AUGE WIE EIN PLANET (2.22)
Synth.beat: robby litvai
Performance, Stimme, Kayagum: werner kodytek
Aufgespielt und aufgenommen am 22.2.2022 während des Karnevals in Venedig. Als Auftakt zur magischen Revolution.
„der am mund aufgeklappte mensch sagt: wir leben wenn die dinge grüssen. somit grüsse ich welt zwei.
es geht bergauf im leben, auf einem leichten wind“
NASCHMARKT NÄCHTLINGS (1/22)
…Das weite Land des Seins, das Land, welches vor Sprache und Verstehen bereits existiert, bietet weit mehr Wirklichkeit…
Um es zu betreten, genügt eine gewisse Portion Absicht und eine Verbeugung. Es bedeutet einen Riesenvorteil, wenn man es mag. Das mögen bringt etwas Unbesiegbares mit sich.
Briant Rokyta
Koreanische Wölbbrettzither Kayagum auf Rollpiano,
Geschichten vorm roten Teppich (12/21)
Erfinden wir unsere eigene Sprache, Geliebter, und uns werden die Augen groß:
Dinge sehen wir dann, die niemand sah, Wege zwischen den Wolken, Lieder in den Weizenfeldern.
Unter die Röcke sehen wir dann dem Wind, wie seine Lippen das Wasser küssen.
Wir gehen dann ungezwungen, ohne Schuhe und nackt, wie unsichtbare Geister.
Worte und Lachen malen wir dann auf die Mauern in der Welt, während aus unseren Körpern die Liebe strömt,
sprudelnd, gluckernd, plätschernd wie aus Brunnen.
Gioconda Belli, nicaraguanische Schriftstellerin und Lyrikerin